Literatur

Über das Leben eines unbekannten Poeten

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Oasen des Lebens – Bočinka
Dieses Buch ist ein Staunen und eine Hommage. Eine Hommage an Quirin, wie er sich selbst bescheiden und geheimnisvoll einer Schreibgruppe am Anfang des Buches vorstellt, der er sein Gedicht Bočinka vorträgt, das so schön und tiefgründig ist, dass niemand auch nur zu atmen wagt. Bočinka, die Frau auf der Karlsbrücke in Prag 1968 und Quirin nun, 50 Jahre später, der Mann, der alles Wissen in sich zu tragen scheint, alle Kunst und der als junger Mann Ernst Jünger wegen seiner Texte in dessen Haus in Wilflingen besuchte und Johannes R. Becher nicht, weil der als erster Kulturminister der DDR immer gerade unterwegs war. Und es ist ein Staunen der Autorin Brigitte Günther, darüber, einem Menschen wie Quirin begegnet zu sein, seine Gedichte gelesen, seine Bilder gesehen, seine Erinnerungen gehört zu haben. Das Glück und das Unglauben darüber, einen Menschen gekannt zu haben, wie es ihn wohl nur ganz selten gibt. Ein übergroßes Dankeschön und ein Teilen mit all jenen, die teilhaben möchten.
Und dabei wäre es zwischen Quirin und der Autorin seiner Biografie „Oasen des Lebens“ mit dem Nebentitel „Bočinka“, soeben im Leipziger I.C.H. Verlag erschienen, Brigitte Günther also, beinahe bei einer oberflächlichen Bekanntschaft, in der man „Guten Tag“ und „Auf Wiedersehen“ sagt, geblieben. Wäre da nicht ein nächtlicher Unfall gewesen, der Quirin plötzlich von aller noch vorhandenen Bindung zur Außenwelt abschnitt und fortan an Rollstuhl und Heim fesselt. Einzig die Autorin fasst sich ein Herz, sucht und besucht Quirin und wird so nicht nur zur unverzichtbaren Hilfe und Verbindung zwischen seiner Inne- und der Außenwelt, sondern sie lernt darüber hinaus einen nicht nur eigenartigen, sondern vor allem einen einzigartigen Menschen und sein Leben kennen. Was schon damit beginnt, dass sie, als sie nach Quirins auffälliger Abwesenheit von der Schreibgruppe, das Haus in dem er wohnt ausfindig macht und aufsucht, vor dem ein großer Container steht und Handwerker Bücher über Bücher in den werfen, Brigitte Günther nach oben steigt, auf Nachfrage erfährt, dass der Mieter dieser Wohnung nicht mehr kommen wird, sie diese betritt und: „Wohin ich auch schaute, Bücher, Bücher, Bücher. Mehrbändige Lexika und Atlanten, drei Bände Paracelsus und Ägyptische Geschichte, Wörterbücher und Biografien, daneben Schallplatten mit Werken von Johann Sebastian Bach, von Enrico Caruso und Maria Callas, zum Teil noch original verpackt, verstaubt achtlos in der Ecke. Auf einem Fenstersims Brocken von Mineralien, ich erkannte Lapislazuli und eine Druse Amethyst, in der sich das Licht fing.“
Natürlich interessiert sich niemand für all diese Dinge, auch wenn die wahrscheinlich das Leben eines Menschen sind, zumindest aber der Spiegel dessen, wichtig, persönlich und unwiederbringlich. Besonders nicht Handwerker in Eile, aber auch sonst niemanden. Es gilt, Platz zu schaffen, Ordnung herzustellen, zu vergessen oder zumindest zu ignorieren und das Leben seinen Lauf gehen zu lassen. Sicher warten schon neue Mieter dringlichst auf die für sie neue Wohnung, die heute wichtig sind, später aber vermutlich ebenso ignoriert und vergessen werden.
Quirin aber ist noch nicht vergessen, ist noch nicht tot. Quirin sorgt mit seinen inneren Welten in einem Heim für den ein oder anderen Aufruhr, freut sich über das Auftauchen dieser noch fast unbekannten Frau aus der Schreibgruppe, die er sehr zu schätzen lernt, ebenso sehr auch dafür benutzt, so viel seines Lebens und seiner Erinnerungen, seiner Übersetzungen, seiner Prosa und Lyrik zu retten und zu verewigen. Es entsteht über fünf Jahre eine sehr enge Beziehung, deren nicht einziges aber ein greifbares Ergebnis „Oasen des Lebens“ ist, ein Buch über einen unbekannten Poeten, der eben nicht so schnell vergessen werden wird. Auch wenn er das Gefühl hat: „Wie wenn ich heute vors Jüngste Gericht müsste“, wie er fast am Ende des Buches sagt.

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Honorarfreie Verwendung, Beleghinweis erbeten,
637 Wörter; 4135 Zeichen

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